Grenzgeschichten - vom Schmuggel und der grenzenlosen Liebe

Screenshot einer Zeitung


Frei nach originalen Begebenheiten, von Thaler Zeitzeugen überliefert (September 2020)


Uf d' Stubad – wenn Liebe keine Grenzen kennt

Mein Mann ist Thaler, ich bin gebürtig aus Scheffau. Wir haben uns über den Musikverein Thal, welcher damals mit unseren Musikanten gemeinsam in Scheffau geprobt hat, kennengelernt. Über die Grenze zu kommen war für meinen Mann nicht immer einfach, aber Liebe kennt keine Grenzen …

Er fuhr immer mit dem Auto zu mir, da brauchte er nur seinen Pass zu zeigen. Wenn er hätte laufen wollen, hätte er um einen Passierschein ansuchen müssen. Ich war dann als junge Frau oft in Thal im Gasthaus Lamm und in der Krone zum Tanzen. Die Dörfer Scheffau und Thal hatten damals einen intensiven Zusammenhalt, zumal auch der Musikverein dorfübergreifend geführt wurde. Das Auto meines Mannes wurde oft an der Grenze durchsucht. Die Zöllner schauten natürlich ganz genau, ob er etwas schmuggelt und stellten alles auf den Kopf. Heute sind wir froh und schätzen uns sehr glücklich, dass die Grenzen offen sind und es diese Prozedur nicht mehr gibt!

Junge Frau aus Scheffau, zirka 1965


Wie ein Zöllner zum Kuhschmuggler wurde

Wir haben in Deutschland eine Kuh gekauft und hätten diese über die Grenze schmuggeln müssen. Da jedoch gerade ein Zöllner kontrolliert hat, musste ich meine Schauspielkünste auspacken …

Als mich der Zöllner mit meiner Kuh entdeckt hatte, musste ich mir ganz schnell einen triftigen Grund einfallen lassen, wieso ich mit diesem Tier über die Grenze muss. Ich konnte ihm ja nicht sagen, dass ich die Kuh verbotenerweise nach Thal schmuggeln möchte … Gott sei Dank kam mir rechtzeitig ein Einfall! So erzählte ich dem Zöllner, dass das Tier aus meinem Stall ausgerissen sei und ich nun alle Mühe habe, es einzufangen. Der Zollbeamte war daraufhin noch so freundlich, mir beim Einfangen zu helfen. Und so brachten wir die Kuh gemeinsam „nach Hause“ und der Zöllner machte sich selbst unbewusst zum Schmuggler.

Landwirt aus Thal, zirka 1955


Meine erste Schokolade 

Nachdem die Brücke über den Kesselbach am 30.4.1945 gesprengt worden war, zogen die französischen Soldaten über die Grenze Eyenbach/Stampf. In Thal wurden weiße Fahnen gehisst. Besondere Ängste erweckten die dunkelhäutigen Marokkaner, doch dem war nicht so. 

Ich war damals fünf Jahre alt, kann mich aber noch gut an die Ereignisse dieser Tage erinnern. In unserem Haus übernachteten einige Soldaten, da sie das Recht hatten, überall zu wohnen. Im Keller haben sie unsere Hennen geschlachtet. Für den Großteil der Thaler Bevölkerung waren die marokkanischen Soldaten der französischen Armee die ersten dunkelhäutigen Männer, die sie jemals gesehen haben. Als die Franzosen nach ihrem Aufenthalt abmarschiert sind, fand ich eine Dose Schokolade in unserem Keller. Das war für mich die erste Schokolade, die ich jemals gegessen habe und somit etwas sehr Besonderes.

Bub aus Thal, 1945


Der wahre Nutzen eines Horners

Als Kinder durften wir im Winter zum Rodeln mit unserem Horner über die Grenze. Dass wir Kinder aber nicht nur rodeln wollten, war den Zöllnern wohl nicht klar …

Denn schon früh begriffen wir Kinder, dass so ein Horner nicht nur Spaß machte, sondern auch sehr nützlich sein konnte. Über der Grenze luden wir unseren Horner voll mit verschiedenen Waren: Kleidung, Waschmittel, ja sogar eine Waschmaschine haben wir einmal über die Grenze geschmuggelt. Als der Zöllner dann seinen Standort gewechselt hat, konnten wir mit dem Rodel wieder zurück ins Thal. Angst hatte ich damals als Bub nicht, mir ist auch nie etwas passiert und ich wurde nie erwischt. Meine Großmutter musste jedoch schon einmal eine Strafe zahlen. Wir wussten aber ganz gut, wie wir die Waren unentdeckt über die Grenze bringen konnten.

Bub aus Thal, zirka 1970


Keine Ausnahme für Grenzgänger 

27 Jahre lang habe ich in der Käsefabrik in Lindenberg gearbeitet, wie manch anderer Thaler auch. Da wir bei Tag und bei Nacht über die Grenze gingen, durften wir eines nie vergessen…….

Im Jahre 1968 habe ich meinen Job in der Käsefabrik in Lindenberg begonnen, damals mit meinem Onkel gemeinsam. Es gab auch einige Personen, die in Lindenberg in den Hutfabriken ihr Arbeiten hatten.  Wir liefen meist von Thal aus über den Paradiesweg zur Grenzbrücke in der Ecklismühle und dann hinauf zum Gletschertopf. Dort wurden wir dann von einem kleinen Bus mit in die Käsefabrik genommen. Um aber bei Kontrollen über die Grenze zu kommen, brauchten wir immer eine Bewilligung, welche jährlich erneuert werden musste. Die Zöllner kannten uns zwar größtenteils, es waren ja meist die gleichen Beamten, dennoch machten sie keine Ausnahmen. Wer keine Genehmigung hatte, konnte nicht passieren. Vergessen durften wir deshalb den Schein nie, denn sonst hätten wir unsere Mitfahrgelegenheit verpasst

Fabrikarbeiter aus Thal, um 1968


Der vermeintliche Thaler Drogenring

Auch noch in den 1980 er Jahren war es so, dass aufgrund der Beitragsfreigrenze für Zollwaren pro Person beispielsweise nur eine Kiste Limonade zollfrei über die Grenze gebracht werden konnte. Deshalb wurde das Auto oft mit Kindern vollbeladen. Das war uns Jugendlichen aber deutlich zu aufwändig …

Für ein Open-Air Kino des Kulturvereines Thal war ich für die Besorgung der Getränke verantwortlich. Wie damals üblich, beschaffte man die Limonade günstig direkt beim Produzenten, der Johanna Quelle in Siebers. Um die zollfreie Beitragsgrenze auszunutzen, mussten alle Kinder und oft die Nachbarskinder mitfahren, um möglichst viele Kisten legal über die Grenze zu nehmen. Das war uns Jugendlichen damals aber deutlich zu aufwändig. Wir holten die Kisten in Siebers, stellten sie an den Schlagbaum in Eyenbach, trugen die Kisten einfach über die Grenze und luden sie in ein anderes Fahrzeug ein. Natürlich nicht, ohne vorher zu schauen, ob ein Zöllner vor Ort war.

Das Vorhaben funktioniert reibungslos, so dachten wir. Doch am nächsten Tag ging ein Anruf ein und wir wurden wegen eines scheinbar schweren Deliktes beim Zollamt in Hub zur Aussage vorgeladen. Mit flauem Magen trafen wir dort ein und wurden vom Zollamtsleiter persönlich mit dem Vorwurf konfrontiert, dass wir am Vortag wohl Säckchen mit weißem Inhalt über die Grenze geschmuggelt hätten. Verdattert wegen diesem massiven Vorwurf des Handels mit Suchtmitteln rückten wir freimütig mit unserem Limonadenschmuggel heraus. Trotz scharfer Worte des Zollamtsleiters blieb es so Gott sei Dank nur bei einer Verwarnung.

Aufgelöst war die Sache dann relativ einfach.  Einer der Grundbesitzer war immer sehr verärgert, wenn die Straße bis zur Eyenbach-Grenze benutzt wurde. So hat er bei seiner Anzeige wohl noch was dazu fantasiert.

Thaler Jugendlicher, zirka 1985


Obacht, Zöllner!

Früher wurde in Thal sehr viel geschmuggelt. Das war gefährlich, da man sich natürlich nicht von Zöllnern erwischen lassen durfte. Oft wurden Kinder voran geschickt, um zu schauen, ob sie an der Grenze stehen …

Teilweise sind wir den ganzen Tag an der Grenze auf und ab gelaufen, um zu beobachten, wann der Zöllner kommt, um zum richtigen Zeitpunkt Waren zu schmuggeln. Im Winter froren die Zöllner lieber als den Ofen anzuheizen, denn damit hätten sie ihre Anwesenheit verraten.   Die Zollbeamten waren aber auch nicht immer im gleichen Zollhaus. Sie sind ihre Runden gelaufen von der Hub Langen in die Ecklismühle, dann zum Stampf (Eyenbach) und wieder zurück. Und wenn sie einen guten Tag hatten, konnte man sie auch noch zu später Stunde im Gasthaus Lamm bei einer Flasche Wein antreffen.

Bub aus Thal, zirka 1970


Wenn die Nächte im Zollhaus lang werden

Anfang der 1980er bis in die 1990er Jahre war der „Country Club“ in Scheffau ein beliebtes Ausgehziel für die Jugendlichen aus Thal. Weil ich einen Übertrittsschein benötigte, bekam ich unverhofft Einblick in vertrauliche Zollunterlagen …

Um noch einen Platz im Club zu bekommen, der von einem pensionierten Chirurgen, auch Professor genannt, und seinem Lebenspartner geführt wurde, traf man sich jeden Samstag vor 20 Uhr zur Fahrgemeinschaft. Wer es nicht rechtzeitig schaffte, kam irgendwie nach, so wie auch mein Freund und ich eines Abends. Da ich meinen Personalausweis vergessen hatte, musste ich mir vom Zöllner einen „Übertrittsschein“ ausstellen lassen, der für den einmaligen Grenzübertritt galt.

Es war bereits dämmrig und man sah von außen, wie der Zöllner in Akten vertieft war. Er war so konzentriert, dass er mein Eintreten zunächst nicht bemerkte. Dafür bekam ich jedoch Blickkontakt mit den Unterlagen. Angesichts des Hochglanz-Magazins, das ganz sicher als Vorbereitung für die Zerschlagung eines Pornorings diente, musste ich mir ein Grinsen verkneifen.

Auf mein freundliches „Guta Obad“ schob der Zöllner blitzschnell einen Formularstapel darüber. „Hosch viel Arbeit?“, ließ ich mit meiner Stimme keine Zweifel an meiner Entdeckung. Mit der Bemerkung „Jo jo, immer was zum tua!“ wühlte der Zöllner geschäftig auf seinem Tisch nach einem Stift und stellte ohne jegliche Diskussion den Übertrittschein aus.

Jugendlicher aus Thal, zirka 1985


Kurz notiert - Das Leben an der Grenze 

Der Schranken war grundsätzlich immer zu. Dennoch bekamen bestimmte Personen einen Schlüssel, wie der Pfarrer, welcher den Pfarrwald bewirtschaftete. Dieser Schlüssel musste zuerst am Morgen im Zollamt in Hub geholt werden, um das Schloss am Schlagbaum aufzusperren und am Abend verlässlich wieder retour gebraucht werden. Vor Sonnenaufgang und Sonnenuntergang war ein  Grenzübertritt grundsätzlich verboten.

Nach dem EU-Beitritt 1995 war der Schlagbaum dauerhaft offen. Bei der Erneuerung der Brücke 2012 wurde er dann abgebaut. Teile davon befinden sich noch in Thaler Privatsammlungen. Wie hätte man auch wissen können, dass der Schlagbaum 2020 für die Grenzversperrung während der Corona-Pandemie wieder gebraucht werden würde. 

Alles was heute noch auf die früheren Grenzkontrollen hinweist, sind die alten Zollhäuschen. Berichten zufolge standen die heutigen jedoch zuvor an anderen Grenzpunkten. So stammt das Zollhaus am Eyenbach wohl vom Sulzberg, nachdem das originale nach Grenzöffnung irgendwann einfach abgebaut und zu Brennholz verarbeitet wurde. Auch das Zollhaus in der Ecklismühle war demzufolge nicht immer in Thal. Dieses stand ursprünglich in Langen-Hub, wurde dann aber nach dem Bau des großen Zollamtes nach Thal gebracht.

Informationen eines Grenzanrainers aus Thal


Die andere Perspektive - Einblicke in den Alltag eines Zöllners 

Als Zeitzeuge und mit belegbaren Ereignissen an der „Grünen Grenze“ im Raum Thal kann ein ehemaliger Zollwachebeamter der von Anfang der 1970 er Jahre bis 1995 Dienst an der Grenze versah, das Tätigkeitsfeld anhand der nachstehenden, zum Teil „brenzligen“ Situationen beispielhaft aufzeigen:

In einer Abenddämmerung versuchten zwei Männer einen Fahrzeugmotor, wie sich später herausstellte ein in den 70er Jahren neu entwickelter Wankelmotor, über die Rotach nach Österreich einzuschmuggeln. Dies wurde aus einer entsprechenden Deckung von einem Zollwachebeamten wahrgenommen, der nun auf den „Empfang“ der Männer wartete. Doch inmitten des Flusses machten die Burschen plötzlich eine Kehrtwende und brachten den Motor wieder nach Deutschland zurück. Im Nachhinein wurde bekannt, dass ein sogenannter „Aufpasser“ den Beamten entdeckt hatte und er die Schmuggler darüber informieren konnte.

Anlässlich einer Nachtstreife wurden von einem Zollwachebeamten drei Personen, die einen illegalen Grenzübertritt vorgenommen hatten, angehalten. Es handelte sich um Drittstaatsangehörige, die von einem sogenannten „Schlepper“ über die Grenze geführt wurden. Die damaligen Streifgänge wurden, so auch im vorliegenden Fall, nur von einzelnen Beamten ausgeführt. Jedoch ein Funkgerät war gegeben. Um die Burschen nun in Schach zu halten und auch ein bestimmtes Risiko zu minimieren, bedurfte es eines energischen Auftretens und somit auch der sofortigen Aufforderung an die Betreffenden, mit den Händen nach vorne gestreckt sich auf den Bauch auf den Boden zu legen. Wegen der entsprechenden gezückten respektauslösenden „Ausrüstung“ des Beamten folgten die Angehaltenen dieser Aufforderung. Auf dem Bauch liegend mussten die Festgenommenen etwa 20 Minuten auf die vom Beamten angeforderte Verstärkung ausharren. Abgesehen von der besonders fordernden Situation für den Beamten ergaben die im Lichtkegel einer Taschenlampe in horizontaler Stellung befindlichen „Kontrahenten“ eine äußerst „sehenswerte Darstellung“.

An einem Regentag, an dem sich ein Schwarzfischer wohl sicher fühlte, wurde von einem Zollwachebeamten bei seinem Streifgang aus einer bestimmten Entfernung an der Rotach eine Person beim Fischen festgestellt. Da die Person laufend ihren Blick in verschiedene Seiten wechselte und sich einer unüblichen Fischerausrüstung bediente, war anzunehmen, dass es sich bei ihm um einen Schwarzfischer handelte. Um des Betreffenden habhaft zu werden, bedurfte es nun einer bestimmten Taktik. Dem Beamten gelang es in einem weiten Bogen über den Wald und Gestrüpp unbemerkt von hinten an die Person anzuschleichen. Mit einer Anhalteart, die nicht besonders konform mit den rechtlichen Vorgaben einer Anhaltung übereinstimmten, erfolgte vom Beamten ein Griff von hinten an den Mantelkragen des Betreffenden. Als der Bursche dies wahrnahm, stieß er beim Anblick des Beamten einen lauten Schrei aus und fiel in einen derartigen Schockzustand, sodass der Beamte ihn weiter festhalten musste, um ihm ein unfreiwilliges Bad im Wasser zu ersparen. Nach einer entsprechenden Belehrung über sein unrechtmäßiges Handeln wurde über den Angehaltenen, da dieser mit dem noch weiter anhaltenden Schockzustand wohl genug „bestraft“ war, eine mündliche Verwarnung ausgesprochen und somit von einer Anzeige nach den Bestimmungen der Jagd- und Fischereirechte abgesehen. Danach verließ der Bursche, der nach wie vor kein Wort über seine Lippen brachte und auch amtsbekannt war, schleunigst den Ort des Geschehens.

Im Nachhinein betrachtet ergab in den 1970er Jahren die Anhaltung von zwei Männern nach deren illegalem Grenzübertritt an der „Grünen Grenze“ eine brisante Beurteilung. Nach der entsprechenden Anhaltung streckten die Personen von sich aus sofort die Hände in die Höhe und ersuchten den Beamten mit den Worten „ Bitte nicht schießen!“ um Rücksicht. Folgend wurde klar, weshalb die Männer, die sich in einem bestimmten Verbrechensumfeld bewegten, diese Aussage tätigten. Die nachfolgenden Leibesrevisionen und Identitätsfeststellungen ergaben, dass die Angehaltenen zumindest als Sympathisanten der in dieser Zeit in Deutschland mit Morden und Entführungen von politischen Mandataren agierenden „Bader/Meinhof“-Terrorgruppe angehörten. Die Männer führten auch Skizzen mit, in denen für ihre geplanten illegalen Grenzübertritte von Deutschland über Österreich nach Italien die entsprechenden Routen vermerkt waren. Die weiteren Erhebungen über die Festgenommenen wurden in der Folge von der Gendarmerie, heute als Polizei benannt, vorgenommen.

Die Zweckbestimmung der Zollwache:
 Für das Bestehen des Zolls bzw. der Zollwache galt neben den sicherheitspolizeilichen Aufgaben in zollrechtlicher Hinsicht das Leitbild: „Zum Schutz der inländischen Wirtschaft“. In diesem Sinne wurden, um dem ausländischen Preisdruck entgegenzuhalten, vom Gesetzgeber und mitbestimmend auch von der Wirtschaftskammer für bestimmte Waren Einfuhr-Zollsätze festgelegt. Dadurch konnte den inländischen, oftmals kleinstrukturierten Betrieben, die den Großproduzenten im Ausland bzw. den Produkten aus Billiglohnländern mit Betrieben mit eher fragwürdigen sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen wenig entgegenhalten konnten, der Fortbestand ihrer heimischen Produktion samt Arbeitsplätzen gesichert werden. Auch diverse steuerrechtliche Unterschiede waren oftmals gegeben.

Folgend eine Betrachtung des Verhältnisses der Zollwache im Allgemeinen zur Bevölkerung:
 Bestimmten Bürgern, denen die eigene Geldbörse näher lag wie der Gedanke an die heimische Wirtschaft, war es angetan, preisgünstigere ausländische Waren am Zoll vorbei ins Inland zu verbringen. Den Zollwachebeamten war aufgetragen, neben dem verschiedensten weiteren Aufgabenbereich, diesem Faktum entsprechend entgegenzuhalten. Daraus entwickelte sich beim Grenzübertritt an den Zollämtern ein oftmals „fragwürdiges Vertrauensverhältnis“. Die entsprechenden Kontrollen, die hin und wieder bei finanzstrafrechtlichen Verstößen zu einer starken „Belastung“ der Geldbörse der Betroffenen führten, wurden vom Bürger wohl mit wenig Begeisterung gesehen.
 Allgemein, so auch in der heutigen Zeit, werden von Teilen der Bevölkerung den Grenzkontrollen bzw. den verschiedensten Kontrollen durch Exekutivorgane, was in der Natur der Sache liegt, keine besonderen Sympathien entgegengebracht.  Gegenüber dieser Klientel mit ihrem eingegrenzten Betrachtungswinkel muss man als Exekutivorgan einen Standpunkt einnehmen, der weit darüber liegt. Ein korrektes und bestimmtes Auftreten des Beamten dient als Grundlage für die Akzeptanz der Maßnahmen sowie zu einer entsprechenden Anerkennung in der Gesellschaft.

Zollwachebeamter 1972-1995


Mein Leben als Zöllner – Es war auch schön!

Der Job des Zollwachebeamten war zu sehen wie jeder andere, wenn auch mit Belastungen, die bis ins private Leben führen konnten.

Wenn man jedoch Exekutivbeamte als privilegiert bezeichnen möchte, so sind dies die Befugnisse dieser Organe, die so wie es im Amtsdeutsch ausgesprochen wird, um „den rechtlichen Zustand herzustellen“, eine Notwendigkeit darstellen.
 Der Job als Exekutivbeamter ist deshalb schwer mit einer anderen Tätigkeit vergleichbar.
 Negative Einflüsse ins Privatleben eines Beamten können nur durch dienstliches Fehlverhalten entstehen. Ich hatte diesbezüglich gänzlich keine Probleme!


 Den Job als Zollwachebeamter mit der immensen Aufgabenpalette, in die ich mich „hineinkniete“, war für mich, vor allem dann am Schluss, eine äußerst erfüllende Aufgabe. Um dies entsprechend zu bewältigen, war es im Vollzug erforderlich auf „zwei Füßen“ zu stehen. Auch war ich bei gröberen Verstößen „hart im Nehmen“. Ich sah es auch als meine/unsere Aufgabe, im Hinblick auf den Bürger, der sich an die rechtlichen Normen hält, die „schwarzen Schafe“ aus dem Verkehr zu ziehen.
 Dabei war es mir für mich im Umgang mit Menschen mit den unterschiedlichsten Charaktereigenschaften und mitunter in sehr schwierigen Situationen auch immer wichtig,  das gegenseitige menschliche Niveau auf „Augenhöhe“ zu halten. Aus meiner Sicht ist es mir ausnahmslos gelungen, auch in schwierigen Situationen angenehme Umgangsformen herzustellen. Klar gab es auch unangenehme bis äußerst beleidigende Situationen, die bis zu den miesesten Anschuldigungen bis hin zu Vorwürfen des Amtsmissbrauchs reichten. Meine Devise war immer, mich nie auf dieses Niveau herabzulassen. Dies führte dann oft zur baldigen Beruhigung der Situation. Auch von den teils befassten Behörden erhielten wir einen starken Rückhalt!
 So erlaubte mir z.B. ein Richter während der Verhandlung, dem zu einer Strafe verdonnerten Gesellen sachlich die „Leviten zu lesen“.

Ja, wo wir Zollwachebeamten die Hände überall im Spiel hatten!
 Neben den zoll-, steuer-, fremdenpolizei-, kfz- und abgabenrechtlichen Beanstandungen ergaben sich weiters Straffälle aus diversen Rechtsgrundlagen. Um nur einige davon anzuführen: Produktpiraterie, Containersicherheitsgesetz, Telekommunikationsgesetz, Suchgiftbestimmungen (Verstecke in doppelten Schuhsohlen bis hin zum Magen/Darm Dealer etc.), bilaterale Transportbestimmungen, Ausländerbeschäftigungsgesetz, Gewerbeordnung, Sittenpolizeigesetz (in Bezug auf Prostitution/Zuhälterei), Sozialbetrug (z.B. in der Schweiz ein aufrechtes Dienstverhältnis, daneben in Österreich Notstandshilfe-Empfänger); Arzneiwareneinfuhrgesetz, Tiertransportgesetz etc.


 Die finanziell erfolgreichsten Tätigkeiten ergaben sich jedoch nach dem EU-Beitritt aus dem grenzüberschreitenden Warenverkehr im Umsatzsteuerbereich. Nach wenigen Jahren wurden uns vom zuständigen Finanzamt Graz als Ergebnis unserer Kontrollen Nachforderungen und Strafzahlungen von über dreistelligen Millionenbeträgen gemeldet. Anfänglich jedoch in ATS.
 Gesamt, über die einzelnen Sachverhalte, ließe sich ein Buch schreiben!

Aus dem Umgang mit den verschiedensten Menschen entwickelte sich über die Jahre auch eine besondere Menschenkenntnis, die es mir ermöglichte, die betreffende Person jeweils in einen bestimmten „Raster“ einzuordnen. Dies erhöhte die Sicherheit und Trefferquote.


Ein Job wie jeder andere?

Der Dienst beim Zollamt hatte jedoch auch einige Herausforderungen, die sich auf meinen Wohnort bezogen. In meinem örtlichen Bekanntenkreis befanden sich auch Personen, die versuchten mich bei ihren Grenzübertritten zum “Wegschauen“ zu überreden. Es wurde auch versucht mich auf einer anderen Ebene zum Amtsmissbrauch zu bewegen. Das war für mich nie ein Problem. Ich ordnete diese Menschen in eine bestimmte charakterliche Schublade. Punkt!
 Bemerkenswert, diese Menschen kamen meist aus einem höheren Bildungsniveau.

Nun in der Pension kann ich mit Zufriedenheit und Genugtuung auf den für mich als äußerst erfüllenden Job als Zollwachebeamter, dessen Auftrag ich wohl erfüllt habe, zurückblicken. Vor allem, dass es mir überwiegend gelang, in den verschiedenartigsten Situationen mit den Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsebenen, angefangen von dem auf der untersten Ebene angelangten Suchtmittelkonsumenten, z. B. ein junger Bursche mit 34 strafrechtlichen Vormerkungen und psychisch am Ende, bis hin zur obersten Vermögensetage, einen wohltuenden menschlichen Umgang zu erreichen.

Es war ein facettenreicher Job, den ich auch sehr gerne gemacht habe.

Zollwachebeamter 1972-1995


Wir bedanken uns bei allen, die uns ihre Geschichten aus längst vergangen Tagen zur Verfügung gestellt haben. 

Wir freuen uns, weitere Geschichten und Informationen von euch zu erhalten, die sich an unserer grünen Grenze abgespielt haben. So können wir noch weitere spannende und interessante Geschichten veröffentlichen und archivieren. Meldet euch mit euren Geschichten ganz einfach unter der E-Mail Adresse dorfassistenz@thal.at !